Zeitzeugen der Geschichte
Das größte geschlossene Großsteingräbergebiet Mitteleuropas
Großsteingräber gehören zu den archäologischen Kulturdenkmalen, die seit Langem großes öffentliches Interesse finden. Ursprünglich weit verbreitet, sind diese volkstümlich auch als Hünengräber bezeichneten prähistorischen Grabanlagen in vielen Gegenden dem intensiven Straßenbau und den neuen Feldbaumethoden des 19. Jahrhunderts zum Opfer gefallen.
Lediglich in Waldgebieten waren sie wie Hügelgräber und Wallanlagen der Zerstörung weniger ausgesetzt. Wenn in ausreichendem Maße nutzbares Felsgestein für die seit dem Mittelalter stetig steigende Bautätigkeit zur Verfügung stand, haben gar ganze Grabgruppen das Zeitalter des gesetzlichen Denkmalschutzes erreicht. Derartig günstige Umstände haben dazu geführt, dass bis heute in den Wäldern südlich und westlich der Stadt Haldensleben das größte geschlossene Großsteingräbergebiet Mitteleuropas zu finden ist.
Die meisten der 83 mehr oder weniger gut erhaltenen Gräber liegen innerhalb der sogenannten Historischen Quadratmeile. Dieses geschlossene Waldgebiet besteht aus dem Althaldensleber Kiefholz, dem Hundisburger Bauernholz, der Veltheimsburger Heide sowie dem Dönstedter Wald und ist territorial der Stadt Haldensleben und der Gemeinde Bebertal zugeordnet. Einzelne Großsteingräber sind auch in den angrenzenden Wäldern von Süplingen, Emden und Erxleben zu finden.
Im Gegensatz zur südlich angrenzenden Magdeburger Börde, wo bereits vor rund 5000 Jahren die aus dem donauländlichen Raum stammenden Bandkeramiker Ackerbau und Viehzucht einführten, wanderten in den mit Sandböden bedeckten Teil des Flechtinger Höhenzuges erst ein halbes Jahrtausend später jungsteinzeitliche Siedler aus Nordwesteuropa ein. Diese Menschen der sogenannten Trichterbecherkultur rodeten hier erstmals Wälder, erbauten feste Siedlungen und beherrschten die bis dahin in unserer Gegend unbekannten Handwerkstechniken wie Weberei und Keramikherstellung.
Archäologische Untersuchungen haben ergeben, dass es die sogenannten Alttief-Stichkeramiker unter den Gruppen der Trichterbecherkultur waren, die in der Historischen Quadratmeile die ersten Großsteingräber errichteten.Typische Grabform ist das sogenannte Ganggrab. Hierbei ist in der Regel die langgestreckte, aus großen Granitfindlingen errichtete Grabkammer von einer trapezförmigen Steineinfassung, dem sogenannten Hünenbett, umgeben.
Meist führt von Süden ein abgedeckter Gang durch das ursprünglich hügelartig aufgeschüttete Hünenbett in die Grabkammer. Öffnungen zwischen den Findlingsblöcken waren mit Steinplatten zugesetzt, und die Fußböden bestanden aus Plattenpflaster, Lehm oder Gesteinsgrus.Wenn auch nur selten ungestörte archäologische Befunde in Großsteingräbern erhalten sind, geht man doch allgemein davon aus, dass diese Totenhäuser mehrfach über viele Generationen hinweg für Bestattungen benutzt wurden.
Die allgemein für Großsteingräber typische Armut an Beigaben konnte auch in den Gräbern der Historischen Quadratmeile festgestellt werden. Neben Skelettresten und Steinwerkzeugen besteht das archäologische Fundgut vor allem aus Scherben von Keramikgefäßen. Diese konzentrieren sich besonders im Eingangsbereich der Gräber, was entweder auf ausgeräumte Beigabenreste oder auf gesonderte Opfergaben schließen lässt.
Aufgrund der typischen Verzierungselemente der Keramikgefäße lassen sich auch einzelne Scherben relativ leicht den verschiedenen jungsteinzeitlichen Kulturen zuordnen und sind daher von großem wissenschaftlichen Wert.Während der in den 50er und 60er Jahren von den Professoren Schlette und Preuß der Martin-Luther-Universität Halle durchgeführten archäologischen Untersuchungen konnte so neben der alttiefstichkeramischen Kultur auch die sogenannte Walter-Nienburger-Gruppe als Nutzer der Großsteingräber der Historischen Quadratmeile nachgewiesen werden. Diese Ausgrabungen machte der fortschreibende Hartgesteinabbau notwendig. Zwei Gräber wurden damals zur Klärung wissenschaftlicher Fragestellungen untersucht und anschließend rekonstruiert.
Besonders das Großsteingrab "Küchentannen" mit seiner begehbaren Grabkammer ist seither ein Anziehungspunkt für viele Besucher.
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Frühjahrsputz an den Großsteingräbern
Dass ein Großsteingrab im Wald ein wenig verwunschen aussehen darf, mag angehen. Dass der potentielle Besucher es gar nicht erst findet, weniger. Dabei bilden die weit über 80 Gräber, die sich mehr oder weniger gut erhalten in der Historischen Quadratmeile westlich von Haldensleben befinden, einen einmaligen historischen Schatz, der immer auch wieder Interessierte anzieht. Doch die hatten es in der Vergangenheit nicht leicht – zugewachsen und kaum zu finden präsentierte sich das Erbe der Jungsteinzeit, was zu manchen verständnislosen Kommentaren führte.
Nun jedoch haben sich viele Beteiligte zusammengefunden, um die Gräber dem Vergessen zu entreißen: Denkmalpfleger, Waldeigentümer und Beschäftigte der Gesellschaft für Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung (ABS) Drömling, das Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege, das Museum Haldensleben sowie die Stadtverwaltung arbeiten hier Hand in Hand. Das Jobcenter Börde fördert eine Beschäftigungsmaßnahme mit fünf Teilnehmern.Insgesamt acht steinerne Zeugnisse der Bestattungskultur von vor über 5.000 Jahren werden derzeit für Besucher wieder zugänglich gemacht. Im Haldensleber Forst, hinter dem Klinikum, sind seit Anfang Februar fünf Mitarbeiter der ABS Drömling unter fachlicher Anleitung durch ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger dabei, die Wege zu den Gräbern freizuschneiden, die Gräber selbst von Bewuchs zu befreien und mit dem Rückschnittmaterial die Wege zu markieren. Im Alvensleber Gebiet, in dem sich auch das restaurierte Grab „Küchentannen“ befindet, werden vor allem ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger in gleicher Mission tätig sein.
Einen ersten Eindruck vom Stand der Arbeiten haben sich kürzlich Vertreter am Projekt Beteiligten verschafft. Dr. Barbara Fritsch, zuständige Gebietsreferentin des Landesamtes für Archäologie und Denkmalpflege, zeigte sich begeistert, „wie gut das nach dem Freischnitt jetzt alles schon aussieht.“ Und erinnerte sich, wie lange man teilweise bei der ersten Begehung zur Auswahl der Gräber mit den ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern im Herbst 2020 nach diesen doch suchen musste.
Doris Fehse vom Jobcenter Börde, welches die Maßnahme finanziert betonte, „dass Langzeitarbeitslose hier mit der sinnhaften zusätzlichen freiwilligen Aufgabe für nachhaltigen Tourismus tätig zu sein, wieder ins Arbeitsleben integriert werden können.“ Dass die Männer hier gern und motiviert ihrer Arbeit nachgehen, bestätigt Ines Kampe als Geschäftsführerin der mit der Maßnahme betrauten ABS Drömling.
Klar ist allen Beteiligten, dass die Aktion keine Eintagsfliege bleiben kann: Der Bewuchs muss regelmäßig zurückgeschnitten werden. Deswegen hofft die Stadtverwaltung, dass sich dauerhaft Freiwillige finden, die -wie bisher die ehrenamtlichen Denkmalpfleger auch schon- mithelfen, die Gräber begehbar zu halten.
Auch die Werbung für einen Besuch der Gräber soll nun durch neues Material wiederaufgenommen werden, nachdem es nun auch frustrationsfrei etwas zu sehen gibt. Dazu gehört auch eine neue Beschilderung. Allein eines fehlt noch: Bislang sind die meisten Gräber namenlos. Es wäre schön, wenn sich hier die eine oder andere treffende Bezeichnung finden ließe.